
Ich schnürte meine Stiefel auf dem windigen Grat über Omalo, wo steinerne Türme in tiefgrüne Schluchten blicken und nur das Läuten der Schafsglocken zu hören ist. Sieben Tage lang wanderte unsere kleine Gruppe von Dorf zu Dorf durch Tuschetien – Georgiens wilden Nordosten – auf Pfaden, die noch immer mehr von Hufen als von Menschen abgetreten sind.
Der erste Aufstieg führte uns nach Dartlo, einem Märchendorf mit Schieferdächern. Eine alte Gastgeberin reichte warmes Chatschapuri und einen Schluck Tschatscha „für Kraft“. Kraft brauchten wir: Der Weg nach Chesho windet sich über grasbewachsene Pässe, wo Wolken an 3 000-Meter-Gipfeln hängen bleiben. Jeder Abstieg offenbarte ein neues Dorf, dessen Wehrtürme Geschichten von Clanfehden, Wollkarawanen und heidnischen Riten bewahren, die älter sind als das Christentum.
Nächte verbrachten wir in Familienpensionen, die nach Wacholderholz dufteten. Wir formten tuschetische Chinkali, tranken tiefrotes Aluda-Bier und lauschten Polyphonie, die von Kalksteinwänden widerhallte. Am sechsten Tag war mein Städter-Takt verschwunden; ich ging im Rhythmus von Pferden und Raben, maß die Zeit an Bergschatten, die über blaue Enzianfelder glitten.
Als wir ins Alasanital zurückkehrten, fühlte sich die moderne Welt weit weg an – genau die Kur, nach der mein innerer Hochländer sich gesehnt hatte. Tuschetien bietet nicht nur Landschaft; es schenkt eine einfachere Uhr, gewebt aus Sonnenlicht, Schafspfaden und herzlicher Gastfreundschaft.
Packen Sie Ausdauer, Respekt und einen leeren Magen – dieses Trekking nährt Körper und Mythos gleichermaßen.